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Trendthema Filterkaffee: „Wir brauchen mal wieder einen Skandal“ – Im Interview mit Johanna Wechselberger

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Wir brauchen mal wieder einen Skandal“. Im zweiten Teil des trendthema-filterkaffee-wir-brauchen-mal-wieder-einen-skandal-im-interview-mit-johanna-wechselbergerInterviews mit Johanna Wechselberger widmen wir uns dem Trendthema Filterkaffee und dessen Chancen in der Zukunft. Der erste Teil des Interviews zum Thema Direkter Kaffeehandel ist hier aufrufbar: www.kaffee-meinicke.de/johanna-wechselberger-direkter-handel/

Zur Person: Johanna Wechselberger beschäftigt sich seit 20 Jahren mit Kaffee und setzt sich für eine bessere Kaffeequalität ein. Das beginnt für Johanna bei der Wahl des direkt gehandelten Rohkaffees für ihre Rösterei in Wien, umfasst den Erfahrungsaustausch mit Farmern und Röstern, Beratung für Espressomaschinenhersteller und Jungunternehmer, die einen Coffeeshop planen. Johanna ist Kaffeerösterin, Barista-Trainerin, SCAE-Masterbarista, Buchautorin, Jurorin beim Cup of Excellence und erfolgreich bei Barista-Meisterschaften. Zu Ihrer Website Vienna School of Coffee:

Andreas Meinicke:
Seit einigen Jahren gibt es in Kaffeebars den Trend zum Aufbrühen des Filterkaffees von Hand. In den Medien ist von einem Filterkaffee-Trend die Rede. Warum ist es immer noch schwer, das Thema Filterkaffee zu vermitteln?

Johanna Wechselberger:
In der Bevölkerung muss sich die Grundeinstellung zum Filterkaffee ändern. Da gibt es ein spezifisches Problem hier in Österreich. Es gibt ja einen Spruch: was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht. Und alles was neu ist, wird erst einmal abgelehnt. Wenn man in einem Kaffeehaus sitzt und dem Gast sagt, dass der Filterkaffee jetzt besser sei, stößt das trotzdem auf Ablehnung. Er schmeckt zuerst einmal anders und damit schlecht. Das ist das erste Problem, womit wir hier in Österreich zu kämpfen haben.

Andreas Meinicke:
Bitte entschuldige meinen Einwurf, aber das ist kein spezifisches österreichisches Problem. Ich wohne in Bayern…

Johanna Wechselberger (lacht):
Und leider hat der Filterkaffee einen ungemein schlechten Ruf von früher. Es ist sehr schwer gegen diese Vorurteile anzukommen. Wir schaffen es durch Events, bei dem wir immer wieder Filterkaffee anbieten und sich ab und zu Leute darauf einlassen, ihn zu probieren. Die jungen Gastronomen tragen dazu bei, das Bild von Filterkaffee bei Events und Veranstaltungen zu ändern. Bei den Alt-Kaffeehäusern kommt man damit nicht mehr rein. Ich habe ja mit dem Thema Kaffee vor 20 Jahren angefangen, weil der Kaffee in Wien grauenhaft war. Mit meinem Café war ich die erste Person, die sortenreinen Kaffee angeboten hat. Das lief immer dann super, wenn es um Esprosso und Milchkaffees ging. Aber der Filterkaffee wurde nicht angenommen. Das ist erst im Laufe der Zeit deutlich besser geworden. Bei der Gründung der Vienna School of Coffee dachte ich noch, dass ich interessierte Gastronomiebetreiber unterrichten kann. Aber die Wiener Kaffeehäuser sind sehr beratungsresistent, um es höflich auszudrücken. Da steht der gesetzte Wirt vor einem und sagt, dass sich seit 30 Jahren noch niemand beschwert habe. Deswegen habe ich mit den Homebarista-Kursen angefangen. Wir müssen das Pferd von hinten aufzäumen. Je weniger sich der Endkunde traut zu sagen, warum der Kaffee nicht schmeckt, desto länger wird der Gastronom nichts ändern.

Andreas Meinicke:
Der moderne Filterkaffee unterscheidet sich mit seiner unglaublichen Armomenbandbreite völlig von dem früheren, steht aber dennoch in dessen Ruf. Müssen wir Filterkaffee mehr wie Wein vermarkten?

Johanna Wechselberger:
Ja, auf jeden Fall. Und wir brauchen mal wieder einen Skandal. Vor ca. 30 Jahren gab es einen Weinskandal in Österreich. Man konnte nachweisen, dass Glykol dem Wein beigemischt wurde. Und danach ging plötzlich die Weinqualität nach oben. Heute schneidet jeder Weinfarmer seine Zweige, damit es nur noch zwei Hauptzweige sind. Man will lieber Qualität statt Quantität. Heute bestellt sich außerdem jeder seinen Wein nach Sorte, Lage oder Land – manche sogar nach dem Jahrgang. Beim Kaffee sind wir mittlerweile soweit, dass wir auch nach Sorten bestellen. Das haben wir auch einer großen Coffeeshopkette zu verdanken, wobei sich über Geschmack streiten lässt. Aber dadurch sensibilisiert man den Konsumenten. Kaffee ist nicht gleich Kaffee.

Andreas Meinicke:
Damit sind wir bei dem Thema Aufklärung. Die zahlreichen Kaffee-Siegel helfen nur bedingt, die Qualität von Kaffee nachzuvollziehen. Biologisch zum Beispiel heißt ja noch lange nicht nachhaltig.

Johanna Wechselberger:
Die Lebensmittelbranche spielt hier eine wichtige Rolle. Heutzutage müssen Produkte lokal und selbstgemacht sein. Denken wir nur an die Brauereien und Brennereien, die wie Pilze aus dem Boden sprießen. Hier müssen wir mit der ganzen Lebensmittelbranche mitziehen. Die Spezialitätenszene muss sichtbarer werden. Hier sollten wir Kaffeeröster und Baristi viel mehr zusammenarbeiten und uns öfter gemeinsam präsentieren.

Andreas Meinicke:
Wie könnte diese Zusammenarbeit aussehen?

Johanna Wechselberger:
Was mich persönlich freuen würde wäre, wenn Kooperationen beim Einkauf entstehen. Derzeit besteht die Zusammenarbeit, wenn überhaupt, hier nur durch E-Mails. Es wäre ja schon einmal was, wenn wir alle die E-Mail-Adressen der anderen hätten. Noch besser wäre eine Plattform. Aber es wird immer diejenigen geben, die sich engagieren und diejenigen, die dann einfach abwarten und alles serviert bekommen wollen. Und wenn die Engagierten etwas machen, bekommen sie häufig noch nicht einmal ein Danke zu hören.

Andreas Meinicke:
Zurück zum Filterkaffee: Es braucht den kritischen Konsumenten, um die Nachfrage für guten Filterkaffee zu erhöhen. Durch die hippe Spezialitätenszene haben wir eine Nachfrage durch ein junges Publikum.

Johanna Wechselberger:
Weißt Du, wen wir noch alles bekehren müssen? Bei uns in Österreich sind es die „Verlängerten-Trinker“ und bei Euch in Deutschland die „Käffchen-Trinker“. Die Leute wollen ja Filterkaffee. Sie wollen eine große Tasse mit bekömmlichem Kaffee. Aber wieso macht man den auf einer Espresso-Maschine? Soll sich doch jeder Gastronom einen Kaffeefilter dazustellen. Ich höre von Gastronomen immer wieder, sie hätten keinen Platz dafür an der Bar. Aber die 25 Zentimeter sind nun wirklich kein Problem.

Andreas Meinicke:
Ein weiteres Argument ist auch die Geschwindigkeit bei der Zubereitung.

Johanna Wechselberger:
Das verstehe ich auch nicht. In wenigen Minuten ist eine 1,7 Liter Kanne mit erstklassigem Filterkaffee fertig. Die stelle ich oben an der Bar auf und unten brühe ich schon die zweite Kanne. Bis die fünf großen Tassen ausgeschenkt sind, ist die nächste Kanne fertig. Und wenn der Gast möchte, brüht man den Kaffee für ihn ganz frisch. Da freut er sich doch nur noch mehr. Die vier Minuten wartet er gerne. Bis dahin stellt man ihm schon mal das Wasser vorab auf den Tisch.

Andreas Meinicke:
Ich komme noch einmal zum Endverbraucher zurück. Wenn Du es in einem Satz zusammenfassen müsstest: Was muss der Konsument über Kaffee wissen?

Johanna Wechselberger:
Gerösteter Kaffee ist immer noch ein Rohstoff! Man muss erst einmal etwas daraus machen. Es ist nun mal nicht so, dass man irgendwo etwas reinschüttet und einen Knopf drückt. Man muss erst einige Parameter einstellen, um das Richtige herauszuholen. Und das ist der Grund, warum ich Trainerin geworden bin.

Kontakt:
Kaffee Meinicke
Inh. Andreas Meinicke
Preysingstr.11
D-81667 München

Tel.: +49 (0) 176 24 43 87 15
eMail: servus@kaffee-meinicke.de
www.kaffee-meinicke.de
Shop: shop.kaffee-meinicke.de