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Schlachthof-Hölle: kein Futter, gefälschte Dokumente, lebendig verbrüht!

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„Sauerstoffverlust ist noch der gnädigste Tot, den ein Tier im Schlachthof haben kann“

Die aktuelle Petition „Qualschlachtungen stoppen“ der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt setzt Schlachtbetriebe auf die Anklagebank. Mehr als 500.000 Schweine und 200.000 Rinder werden jährlich ohne auszureichende Betäubung getötet und erleben den Schlachtvorgang bewusst mit. Laut Bundesärztekammer werden jährlich 180.000 trächtige Kühe getötet, während ihre Föten qualvoll im Leib ersticken. Fehlbetäubungen, mangelnde Kontrollen und ein brutaler Umgang mit den Tieren sind an der Tagesordnung. Die Mitarbeiterin eines Betriebes, der insgesamt etwa 60.000 Tiere pro Jahr schlachtet, hielt die psychische Belastung nicht mehr aus. Der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt gab die Frau nun ein exklusives Interview. Ihre Motivation: Auf die unerträglichen Zustände in Deutschen Schlachtbetrieben aufmerksam machen.

Was genau waren Ihre Aufgaben im Schlachthof?
Mein Aufgabengebiet umfasst die Unterstützung und Überprüfung von Überwachungstätigkeiten eines Schlachthofs, inklusive der Schulung von Labormitarbeitern und der Einarbeitung amtlicher Tierärzte und Fachassistenten. Hierbei überprüfe ich die Einhaltung der QS- und HACCP-Vorgaben1 sowie alle notwendigen Dokumentationen, gestützt durch Verordnungen zu Tierschutz, Transport, Anlieferung, Schlachthygiene, Fleischbeschau und Weiterem.
Ich verfüge zudem über einen Nachweis als Tierschutzbeauftragte bei der Tötung von Schlachttieren.
1 Zwei Prüfsysteme, die die Sicherheit von Lebensmitteln und Verbrauchern gewährleisten sollen

Wie viele Tiere werden dort jährlich geschlachtet und welche?
Insgesamt etwa 60.000 Tiere. Rinder und Schweine (ca. 35.000), Pferde, Schafe und Ziegen.

Wie ist der gesundheitliche Zustand der Tiere bei der Anlieferung und welche Verstöße kommen hierbei vor?
Der gesundheitliche Zustand der Tiere ist sehr unterschiedlich. Es gibt regelmäßig überladene Transporter mit wesentlich mehr Tieren als erlaubt. Manche Tiere können den LKW nicht mehr durch eigene Kraft verlassen, da sie beim Transport verletzt wurden oder bereits beim Verladen krank
waren. Auch werden Bullen verschiedener Lieferanten oder landwirtschaftlicher Betriebe zusammen in die Warteboxen gestellt (Anmerkung: Die Tiere sehen sich häufig als Rivalen und gehen dann aufeinander los), ebenfalls häufig mehr Tiere als erlaubt. Das führt oft zu tot getrampelten oder schwer verletzten Tieren. Auch sind es ein und dieselben Landwirte, die immer wieder schwer kranke Tiere anliefern oder Tiere, die starken Parasitenbefall in den Organen haben.

Werden solche Verstöße dokumentiert und gemeldet?
Es werden nur selten Verstöße dokumentiert und wenn doch, dann nur, um eine realistische Dokumentation vorzuweisen. Der zuständigen Behörde werden Verstöße jedoch nie gemeldet.

Wieviel Zeit vergeht von der Ankunft der Tiere bis zu ihrer Schlachtung?
Teilweise vergehen bis zu 15 Stunden. Die Großlieferanten liefern, wann es in ihren Zeitplan passt. Nur Pferde werden so terminiert, dass sie direkt nach der Anlieferung geschlachtet werden, da unter den Schlachtpferden häufig Einzeltiere sind, bei denen die Besitzer Wert auf eine schnelle Schlachtung legen.

Werden die Tiere bei längeren Wartezeiten versorgt?
Ja, sie werden mit Wasser versorgt. Gefüttert werden die Tiere nicht, es wird aber dokumentiert, dass Futter zur Verfügung stehen würde.

Was geschieht mit verletzten Tieren, die zum Beispiel nicht mehr richtig laufen können?
Da sie den Schlachthof nicht mehr verlassen dürfen, werden sie geschlachtet und untauglich gestempelt. Es ergeht eine Meldung laut EU-Verordnung in welcher die Gründe angegeben werden und der Tierhalter hierüber informiert wird. Normalerweise müssten sie unter Berücksichtigung der Tierschutzvorgaben sofort getötet werden, aber das lässt der Schlachtablauf oft nicht zu. Die Tiere müssen deshalb manchmal bis zum Ende des Schlachttages Qualen erleiden.

Wie gründlich werden die Tiere von den Amtstierärzten untersucht?
Eine Lebendbeschau erfolgt selten bis nie, wird aber immer dokumentiert, da diese gesetzlich vorgeschrieben ist. In 70% der Fälle ist kein Veterinär anwesend, wenn die Tiere abgeladen werden oder in den Boxen stehen. Die Fleischbeschau am toten Tier wird sorgfältig nach altem Standard durchgeführt, das heißt es werden immer Organe und Gewebe angeschnitten, nicht nur bei Verdacht oder stichprobenartig. Unsere amtlichen Tierärzte stehen der visuellen Fleischbeschau (Anmerkung: Fleischuntersuchung in Form lediglich einer Besichtigung der Oberfläche), die nun neu in die Verordnung aufgenommen wurde, sehr skeptisch gegenüber, da sie nicht praxistauglich ist, aber umgesetzt werden muss.

Was passiert, wenn ein Tier nicht richtig betäubt wurde?
Bei den Rindern wird nachbetäubt. Unsere Schlachtzahlen sind niedrig, so dass es zu keinem Zeitdruck für die Arbeiter kommt. Bei den Schweinen kommt es vor, dass die Tiere nur leicht betäubt oder wieder bei vollem Bewusstsein in der Brühmaschine landen. Ich schätze bei 20 Prozent der Tiere ist das der Fall! Die Brühmaschine ist ein Bad mit kochend heißem Wasser, in welches die Tiere eingetaucht werden, um die Haare vom Körper zu entfernen und die Haut aufzuweichen.

Wie gehen die Arbeiter mit den Tieren um? Gibt es Verstöße gegen Tierschutzauflagen?
Die Arbeiter im Treibgang sind rüde und grob und benutzen den Elektrotreiber häufiger als nötig. Sie treiben die hinteren Tiere immer weiter an, so dass die vorderen Tiere oft fast erdrückt werden und panisch gegen die Wände rennen.
Bei der Tötung von Rindern und Pferden gibt es wenige bis keine Verstöße, nur die Elektrobetäubung der Schweine verläuft mangelhaft. Die Überfüllung der Warteboxen ist ein schwerwiegender Verstoß ebenso wie die überladenen LKWs bei der Anlieferung. Regelmäßig, also an jedem Schlachttag, werden kranke Tiere mit gebrochenen Gliedmaßen oder schweren Erkrankungen angeliefert. Alle diese Fälle müssten gemeldet werden, aber dies passiert nie. Ich schätze, es sind bis zu 8 Tiere jeden Tag!

Wie schätzen Sie den Einfluss der Tätigkeit des Schlachtens auf das Allgemeinbefinden der Mitarbeiter ein?
Eine Verrohung und Gewöhnung findet natürlich statt. Dies kann ich ja selbst bei mir beobachten. Ich habe mich auch an den Anblick des vielen Blutes, der abgehackten Beine und Schwänze gewöhnt. Allerdings zeigen die Mitarbeiter kein Schuldbewusstsein oder schlechtes Gewissen. Sie essen alle gerne und viel Fleisch und sehen ihre Tätigkeit als ganz normal an.

Ich möchte noch eine kurze persönliche Stellungnahme abgeben:
Auf unserem Schlachthof wird wahrscheinlich noch am korrektesten gearbeitet. Der Umgang mit den Tieren und die Qualität des Fleisches sind überdurchschnittlich. Doch auch bei uns passieren täglich Dinge, die nicht passieren dürften! Ich litt unter psychosomatischen Beschwerden. Das Gefühl zu ersticken, zunächst nur beim Betreten des Schlachthofs, später beim bloßen Gedanken. Ich hatte Schlafstörungen und Alpträume.

Ich habe viele Missstände angesprochen, Verbesserungen erarbeitet und umgesetzt. Dies lag in meinem Verantwortungsbereich. Bauliche Zustände, Geräte und Equipment wurden (leider nie zeitnah) notgedrungen verbessert. Das Verhalten (tierschutzrelevantes Verhalten) der Mitarbeiter war nur so lange Korrekt, wie kontrolliert wurde. Danach hörte ich an der Art der Schreie der Tiere, wenn sie fehlbetäubt oder misshandelt (Elektrotreiber, Schläge) wurden.

Der Schlachthofbetreiber ist in dieser Branche einer der “Guten“. Seit sich tierschutzrechtliche Verstöße beim Treiben und Betäuben der Tiere gehäuft haben, wird der Betrieb videoüberwacht, um die Mitarbeiter zu korrektem Arbeiten zu zwingen. Zum Beispiel wurde festgestellt, dass Schweine nicht vorschriftsmäßig betäubt wurden.

Unser Schlachthof verfügt über gut ausgebildete und gut bezahlte Fachkräfte im Gegensatz zu vielen Großschlachtbetrieben, die 3 €-Hilfsarbeiter aus dem Ausland beschäftigen.

Wir haben zwei sehr erfahrene und zuverlässige amtliche Tierärzte, die ihr Bestes geben, aber in dieser Branche ist das immer eine Gradwanderung. Der Schlachthofbetreiber lässt sich nicht diktieren, wie er zu arbeiten hat. Sobald der Druck zu groß wird, droht er mit Schließung und dem Verlust unzähliger Arbeitsplätze für diesen Standort.

Deshalb wende ich mich an Sie. Wenn in unserem kleinen, doch recht vernünftig arbeitenden Schlachthof viele Dinge im Argen liegen, dann kann in den Großschlachtereien unmöglich alles korrekt und tierschutzrechtlich einwandfrei ablaufen. Das kann nur eine Lüge sein, die wir alle gerne glauben wollen.

Die Aufgabe der amtlichen Tierärzte, der Veterinärfachassistenten und der Qualitätsmanager ist es, in ihrer Dokumentation zu schreiben, dass der Schlachtbetrieb einwandfrei arbeitet, damit dieser rechtlich auf der sicheren Seite ist. Doch die Wahrheit sieht ganz anders aus.

Neulich habe ich mich mit unserem amtlichen Tierarzt über die Tötung hochtragender Kühe und das Absterben der Kälber durch Sauerstoffverlust unterhalten und wir sind zum gleichen Fazit gekommen: Dies ist der gnädigste Tot, den ein Tier im Schlachthof haben kann!

Pressekontakt:
Franziska Baermann
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